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Demonstrierende NGWF Textilarbeiter*innen

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Mindestlohngespräche in Bangladesch kurz vor dem Scheitern? Arbeitgeber*innen schlagen unverschämt niedrigen Lohn von 89 Euro vor, während viele Modemarken noch immer schweigen

Die Befürchtungen nehmen zu, dass die laufenden Lohnverhandlungen für die Bekleidungsindustrie in Bangladesch zu einem neuen Armutslohn von nur ca. 89 Euro pro Monat (10.400 Taka) führen könnten, und zwar auf der Grundlage eines unverschämten Vorschlags, den die Arbeitgeber*innen auf der letzten Sitzung des Lohnausschusses vorgelegt haben. Gewerkschaften und Arbeitsrechtsorganisationen lehnen diesen dreisten Versuch ab, die Arbeiter*innen in der Armut gefangen zu halten. Der niedrige Lohnvorschlag ist die Folge der mangelnden Bereitschaft der großen Modemarken, die Arbeiter*innen in ihrem Kampf um angemessene Löhne aktiv zu unterstützen.

Marken wie Primark, H&M, C&A und Esprit, die sich für existenzsichernde Löhne einsetzen, müssen höhere Preise für ihre Produkte zahlen und die Forderung der bangladeschischen Gewerkschaften nach einer Anhebung des Lohns auf mindestens 23.000 Taka (ca. 196 Euro) pro Monat unterstützen.

Verschiedene glaubwürdige bangladeschische Medien berichten, dass die Arbeitgeber*innenseite bei der letzten Sitzung des Mindestlohnausschusses am 22. Oktober 2023 ein Angebot von nur ca. 89 Euro (10.400 Taka) vorgelegt hat. Dies nährt die Befürchtung, dass der neue Mindestlohn weit hinter dem zurückbleiben könnte, was nach Untersuchungen über die Lebenshaltungskosten das absolute Minimum für ein menschenwürdiges Leben in Bangladesch darstellt.

"Wenn der neue Mindestlohn nur 10.400 Taka beträgt, bedeutet dies, dass die Mehrheit der Arbeiter*innen mit dem Einkommen, das sie bei einer 48-Stunden-Woche in dieser Branche verdienen, nicht überleben kann. Sie werden weiterhin auf andere Möglichkeiten angewiesen sein, um über die Runden zu kommen: Viele Überstunden machen, Mahlzeiten ausfallen lassen oder auf andere Grundbedürfnisse für sich selbst oder ihre Angehörigen verzichten", sagt Kalpona Akter, Präsidentin der Bangladesh Garment and Industrial Workers Federation und Direktorin des Bangladesh Center for Workers Solidarity. "Die internationalen Einkäufer sollten jetzt Verantwortung übernehmen, bevor die Situation noch schlimmer wird".

Die Gewerkschaften haben mehrere Demonstrationen in Bangladesch veranstaltet und sich an über 60 große Modemarken gewandt, die in Bangladesch einkaufen. Die Marken wurden aufgefordert, die Forderung nach 23.000 Taka zu unterstützen, sich zu verpflichten, nach der Mindestlohnerhöhung weiterhin aus Bangladesch zu beziehen und die höheren Arbeitskosten in ihre Einkaufspreise einzubeziehen.

"Wir rufen die Marken dazu auf, unsere Forderungen zu unterstützen, denn die Marken sind verantwortlich für die Einkaufspraktiken, die sich direkt auf die Löhne der Arbeiter*innen auswirken. Wir wissen, dass Entscheidungen über die Lohnerhöhungen eng mit den Preisen verknüpft sind, die die Käufer*innen bereit sind zu zahlen", sagt Amirul Haque Amin, Präsident der National Garment Workers Federation.

Dies wurde durch die jüngste Aufforderung der Bangladesh Garment Manufacturers and Employers Association (BGMEA) an Markenunternehmen unterstrichen, die sich im Rahmen des Action Collaboration Transformation (ACT)-Programms zu besseren Lohnpraktiken verpflichtet haben, indem sie aufgefordert wurden, die höheren Lebenshaltungskosten und die Inflation, mit denen die Arbeiter*innen konfrontiert sind, durch die Zahlung eines "fairen Preises" zu berücksichtigen und bei der Preisgestaltung und den Beschaffungspraktiken "einfühlsamer und rationaler vorzugehen".

Einige Marken sind der Aufforderung der Gewerkschaften nachgekommen und haben individuelle Erklärungen zur Unterstützung ihrer Lohnforderungen veröffentlicht. Mehrere große Einkäufer tun dies jedoch nicht, darunter auch Marken, die sich in ihren Verhaltenskodizes zu existenzsichernden Löhnen verpflichten. Primark, H&M, C&A und Esprit gehören zu den Marken, die noch immer still geblieben sind.

"Das Versäumnis der Marken, sich zu verpflichten, ihre Einkaufspreise im Einklang mit einer Lohnerhöhung auf 23.000 Taka zu erhöhen, könnte dazu führen, dass der unverschämt niedrige Lohnvorschlag der Arbeitgeber*innen von nur 89 Euro pro Monat angenommen wird. Das Schweigen der Einkäufer ermutigt die Arbeitgeber*innen, weiterhin das Menschenrecht auf einen existenzsichernden Lohn zu verletzen, der den Arbeiter*innen und ihren Familien ein Leben in Würde sichert. Verpflichtungen zu existenzsichernden Löhnen von Marken, die sich weigern, auf die verzweifelte Forderung der Gewerkschaften nach Unterstützung zu hören, können eindeutig nicht ernst genommen werden", sagte Anne Bienias, Koordinatorin für existenzsichernde Löhne bei der Clean Clothes Campaign.

Hintergrund

Vor sechs Monaten hat die Regierung von Bangladesch einen Lohnausschuss geformt, der einen neuen Mindestlohn für die Beschäftigten in der milliardenschweren Bekleidungsexportindustrie des Landes empfehlen soll, und die Frist läuft bald ab. Der Druck zur Bildung eines Lohnausschusses kam von den Bekleidungsgewerkschaften des Landes, die eine Erhöhung des Mindestlohns forderten, da ihre Beschäftigten aufgrund der Inflation kaum über die Runden kommen. Die Löhne wurden zuletzt im Jahr 2018 überprüft.

Die Gewerkschaften fordern eine Lohnerhöhung von 8.000 Taka (ca. 68 Euro) auf 23.000 Taka (ca. 196 Euro) pro Monat auf der Grundlage einer gründlichen Lebenshaltungskostenstudie, die vom Bangladesh Institute for Labour Studies (BILS) durchgeführt wurde. In dem Bericht wird dargelegt, warum ein Lohn unter 23.000 Taka nicht ausreichen wird, um den Lebensunterhalt der Beschäftigten und ihrer Angehörigen zu sichern.

 

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