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„Ohne internationale Solidarität wären wir verloren“

Mim Akter (links) und Kalpona Akter berichten vom Überlebenskampf in der bangladeschischen Bekleidungsindustrie. Foto: © FEMNETMim Akter (links) und Kalpona Akter berichten vom Überlebenskampf in der bangladeschischen Bekleidungsindustrie. Foto: © FEMNETAktivistinnen aus Bangladesch berichten über den täglichen Kampf für bessere Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie

Die Löhne in Bangladeschs Bekleidungsindustrie gehören zu den niedrigsten auf der ganzen Welt. Die Arbeitsbedingungen haben sich seit dem Einsturz des Rana Plaza Gebäudes im April 2013 mit über 1100 Toten und 2500 Verletzten nicht wesentlich verbessert. Durch das Gebäude- und Brandschutzabkommen Accord hat allerdings die Sicherheit für die Arbeiterinnen vor einem Einsturz oder vor Brand zugenommen. Doch damit sind nicht Frauendiskriminierung, massive Überstunden und Gewerkschaftsverfolgung verschwunden. Als im Dezember 2016 in der Textilregion Ashulia in Bangladesch Tausende Arbeiter*innen für einen höheren Mindestlohnstreikten, schlugen Fabrikbesitzer und Regierungunbarmherzig zurück, um die Arbeiter*innen und Gewerkschaften einzuschüchtern. 600 Arbeiter*innen und Gewerkschafter*innen wurden angeklagt, 1500 wurden einfach gefeuert, Dutzende inhaftiert.

Knapp ein Jahr nach der brutalen Niederschlagung der Proteste sind Kalpona Akter und Mim Akter auf Einladung von FEMNET e.V. und der Friedrich-Ebert-Stiftung in Deutschland, um über den Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und gerechtere Bezahlung zu berichten. Im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen und Vorträgen vor Studierenden, bei Fachtagungen, Diskussionsrunden und Pressekonferenzen haben die beiden die internationale Solidarität als wesentliche Unterstützung für ihren Kampf hervorgehoben.

„Fabrikbesitzer und Regierungsmitglieder sind in Bangladesch oft ein und dieselben Personen. Die Regierungsvertreter vertreten daher oft die Interessen der Fabrikbesitzer. Darum sind wir auf den Druck von Konsument*innen und der einkaufenden Markenunternehmen angewiesen. Wir brauchen Eure Stimme, damit sich bei uns was ändert!“

Mim erzählt aus dem Alltag einer Fabrikarbeiterin in Bangladesch. Sie arbeitet seit 14 Jahren in der gleichen Fabrik und hat es mittlerweile in eine leitende Position geschafft. Daher bekommt sie umgerechnet 80 Euro im Monat; der Mindestlohn, den die meisten Arbeiterinnen bekommen, liegt bei nur 60 Euro im Monat. Da dies nicht zum Leben reicht, nicht für eine Person, geschweige denn für eine Familie, machen die meisten Arbeiterinnen viele Überstunden. Sie arbeitet durchschnittlich 11 bis 13 Stunden am Tag. Mims einjährige Tochter schläft meist schon, wenn sie nach Hause kommt. „Aber wir nehmen das nicht einfach hin. Wir versuchen, Änderungen zu bewirken, wir haben eine Fabrikgewerkschaft gegründet trotz aller Schwierigkeiten!“

Kalpona und Mim sagen; Das Einzige, was wirklich dabei hilft, die Arbeitsbedingungen zu verbessern sind Gewerkschaften. Wenn die Arbeiterinnen die Möglichkeit haben, sich gemeinsam gegen Arbeitgeber zur Wehr zur setzen, können sie sich selbst für ihre Rechte einsetzen. Sich jedoch in Bangladesch einer Gewerkschaft anzuschließen ist extrem schwierig und gefährlich: Um eine Fabrikgewerkschaft gründen zu können, muss die Gewerkschaft erst einmal 30 Prozent der Belegschaft gewinnen. Die Arbeiter*innen müssen sich registrieren und die Gefahr ist sehr groß, dass die Liste dem Fabrikmanagement zu Augen kommt, spätestens dann, wenn sie beim Arbeitsministerium eingereicht wird. Einschüchterung, Zusammenschlagen von besonders „aufmüpfigen“ Arbeiter*innen, fälschliche Anschuldigungen und willkürliche Entlassungen gehören in Bangladesch zum Alltag. Damit verstößt das Land systematisch gegen international anerkannte Menschen- und Arbeitsrechte. Deren Einhaltung ist aber Voraussetzung dafür, dass Bangladesch die produzierte Kleidung zollfrei und dementsprechend billig in die Europäische Union exportieren darf – was einen großen Wettbewerbsvorteil für das Land darstellt. Zwei Drittel der in Bangladesch gefertigten Kleidung landen in der EU. Mehrfach hat die EU das Land bereits dazu aufgefordert, internationales Arbeitsrecht umzusetzen und angedroht, andernfalls die großzügigen Handelsvorteile zu entziehen. Konkrete Schritte sind aber - wie so oft - bislang ausgeblieben.

Darum rufen die internationale Kampagne für Saubere Kleidung, zu der auch FEMNET gehört, und internationale Gewerkschaftsverbände die EU dazu auf, endlich eine formelle Untersuchung der Menschrechtsverletzungen in Bangladesch durchzusetzen.

„Wir hoffen sehr darauf, dass die EU Druck auf unsere Regierung ausübt, damit diese endlich die Rechte unserer Arbeiter*innen anerkennt und umsetzt“, erklärt Kalpona Akter. Die beiden Aktivistinnen sind am 28. Oktober wieder nach Bangladesch geflogen. Ihre Rundreise in Deutschland ist damit beendet, ihr Kampf für bessere Arbeitsbedingungen noch lange nicht.

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