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© Nyan Zay Htet

Myanmar: Tausende Arbeiter*innen auf der Flucht in eine ungewisse Zukunft

Die Gewaltherrschaft der Militärs gefährdet den einst blühenden Bekleidungssektor und mehr als eine halbe Million Arbeitsplätze.

Die Brutalität, mit der die militärischen Machthaber in Myanmar gegen ihr eigenes Volk vorgehen, beherrscht weltweit die Schlagzeilen und hat zu zahllosen Verurteilungen durch die UN, EU, USA und weiteren Ländern und internationalen Organisationen geführt.

Nach Angaben der Hilfsorganisation für politische Gefangene (AAPP) wurden bis Anfang April mehr als 570 Menschen getötet und über 2.700 inhaftiert oder gefoltert. Andere Quellen sprechen von einer noch höheren Zahl an Toten.

Seit Beginn des zivilen Ungehorsams stehen Gewerkschaftsführende und Arbeiter*innen, u.a. aus dem Textilsektor an vorderster Front und weigern sich, mit der illegalen Militärregierung zu kooperieren. Erfolgreich haben die Protestierenden landesweit den Zugverkehr gestoppt, den Bergbau unterbrochen, die Arbeit in zahllosen Fabriken (von denen viele mit dem Militär verbunden sind) eingestellt und damit den Warenverkehr zum Stillstand gebracht. Auch ausländische Unternehmen wie etwa H&M setzen ihre Aufträge aus – zu unsicher und unvorhersehbar, so ein Unternehmenssprecher, sei die politische Lage.

Insgesamt verhalten sich internationale Modekonzerne kaum solidarisch und schweigen, trotz oder gerade wegen ihrer wirtschaftlichen Verflechtungen mit Produktionsfirmen, die sich häufig im Besitz von Angehörigen des Militärs befinden. Wie das Netzwerk Remake berichtet, haben Arbeiter*innen und Gewerkschaften internationale Marken vergeblich beschworen, sich für ihre Rechte einzusetzen und streiken zu können, ohne entlassen zu werden.

Auch die Clean Clothes Campaign verurteilt das Schweigen der Bekleidungskonzerne zu den Gräueltaten des Militärs und fordert von den Unternehmen aktive Schritte zur Unterstützung der protestierenden Belegschaften ihrer Zulieferfirmen.

Der Putsch hat die Wut über zahlreiche Entbehrungen während der Corona-Krise noch gesteigert, ebenso die damit verbundene Angst vor Bedrohung, Unterdrückung und weiteren wirtschaftlichen Einschränkungen. Eine berechtigte Furcht, wie die Folgen inzwischen zeigen.

Yangons Industrievorort Hlaing Tharyar ist dabei zu einem Zentrum der Eskalation zwischen der friedlichen Protestbewegung und Myanmars brutalem Militärregime geworden. 60 Arbeiter*innen kamen dabei zu Tode. Bedrückend sind die Berichte von Ma Khaing Zar, Präsidentin der größten Gewerkschaft IWFM, der Industrial Worker’s Federation of Myanmar. „Soldaten schießen auf protestierende Arbeiter*innen, stürmen ihre Gemeinschaftsunterkünfte, kontrollieren ihre Handys und verhaften sie ohne Grund“, schildert die Gewerkschafterin die Situation. Frauen würden inzwischen aus Angst vor Gewalt und Willkür nicht mehr zu ihren Arbeitsstellen zurückkehren und somit ungewollt in die Arbeitslosigkeit geraten.

Das inzwischen über die Industrieregion verhängte Kriegsrecht hat zudem zu einem Exodus geführt. Die Rückkehr in die meist ländlichen Heimatorte, wo es keine Beschäftigung gibt, bleibt für die Mehrzahl der Arbeiter*innen allerdings eine Notlösung. Denn der Weg zurück in Yangons Fabriken, die langsam ihren Betrieb wieder aufnehmen, ist nicht nur mangels Bus- oder Bahnverbindungen sprichwörtlich gesperrt. Unterstützer*innen und an Protesten Beteiligte werden teils namentlich auf schwarzen Listen geführt, und sind Verfolgung, Schikanen, Razzien oder Schlimmerem ausgesetzt.

“Wir sind immer die ersten, die leiden, wenn es eine Krise im Land gibt“, erzählt eine verzweifelte Textilarbeiter*in. Einige ihrer Freund*innen seien mittlerweile bereit, mit ihren Abfindungen Agenten zu bezahlen, die bei der Jobsuche im angrenzenden Thailand helfen.

FEMNET unterstützt die Gewerkschaftsmitglieder und Arbeiter*innen, die ihr Leben im Widerstand gegen eine menschenverachtende Gewaltherrschaft aufs Spiel setzen. Jede Spende für den Unterstützungsfonds hilft.

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