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Modemarken schulden Textilarbeiter*innen über 10 Milliarden Euro

Für die Arbeiter*innen in der Bekleidungsindustrie ist die Krise noch lange nicht vorbei. Über 10 Milliarden Euro an unbezahlten Löhnen und Abfindungen schulden internationale Modeunternehmen den Textilarbeiter*innen. Ein neuer Report der Clean Clothes Campaign (CCC) untersucht ausbleibende Zahlungen und weitere Arbeitsrechtsverletzungen, etwa die Unterdrückung von Gewerkschaften.

Cover Studie 'Still underpaid'Die Clean Clothes Campaign hat in sieben asiatischen Produktionsländern recherchiert und kommt zu einem besorgniserregenden Ergebnis. Während Bekleidungsmarken und Einzelhändler*innen wieder schwarze Zahlen schreiben, sehen sich viele Arbeit*innen nach über einem Jahr, in dem ihre Arbeitgeber*innen Löhne einbehalten oder gekürzt haben, immer noch mit großen Schwierigkeiten konfrontiert. Plötzliche Schließungen und unethische Einkaufspraktiken wie nicht bezahlte Waren, unerwartete Auftragsstornierungen und einseitigen Preissenkungen haben das Risiko an den Anfang der Wertschöpfungsketten gerückt. Zahlreichen Fabrikbesitzer*innen fehlte das Geld für Lohnzahlungen. Im August 2020 schätzte die CCC die Höhe der entgangenen Löhne für Textilarbeiter*innen auf etwa 2,7 – 4,9 Milliarden Euro (3,2 – ,8 Milliarden US$). Der neue Bericht „Still Un(der)paid“ baut auf der damaligen Studie „Un(der)paid in the Pandemic“ auf und beziffert die Einnahmeverluste für den Zeitraum März 2020 bis März 2021 inzwischen auf über 10 Milliarden Euro (11,85 Milliarden $).

Etwa 1,6 Millionen Textilarbeiter*innen aus den untersuchten Ländern verloren ihre Jobs

"Diese Zahl stellt ein unvorstellbares und oft irreparables menschliches Leid dar. Der Bericht zielt darauf ab, die konkreten Fälle, von denen wir hören und lesen, in die richtige Perspektive zu rücken. Dies geschieht nicht nur in dieser einen Fabrik in Bangladesch oder Pakistan, sondern in der gesamten Bekleidungsindustrie, und dies sind die potenziellen finanziellen Auswirkungen: Bekleidungsarbeiter*innen weltweit werden 11,85 Milliarden US$ geschuldet, während Marken wie Nike, H&M, Inditex und Uniqlo längst wieder profitabel sind", sagte Khalid Mahmood von der Labour Education Foundation in Pakistan.

Schätzungsweise 1,6 Millionen Textilarbeiter*innen wurden in Bangladesch, Kambodscha, Indien, Indonesien, Sri Lanka, Myanmar und Pakistan während der Pandemie entlassen. Für zahlreiche Arbeitslose, so zeigen die Recherchen der CCC, blieben die vollen gesetzlichen Ansprüche auf Abfindungen aus. Während der Arbeitsniederlegungen aufgrund von Lockdowns oder Auftragsstornierungen wurde den Arbeiter*innen oft nur ein kleiner Prozentsatz ihres üblichen Lohns gezahlt, der in jedem Fall deutlich unter einem existenzsichernden Lohnniveau liegt. Infolgedessen sehen sich viele Bekleidungsarbeiter*innen mit hohen Schulden konfrontiert. Während der Pandemie litten sie und ihre Familien vielfach unter Hunger.

Die Krisensituation wird häufig ausgenutzt, um Gewerkschaftsarbeit zu unterdrücken

Vor allem zwei Gruppen von Arbeiter*innen sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen zu verlieren: Gewerkschaftsmitglieder und informell oder temporär beschäftigte Arbeiter*innen, die oft keinen Zugang zu sozialen Arbeitsschutzbestimmungen haben. Gewerkschaftsvertreter*innen und Mitarbeiter*innen lokaler NGOs, die an der Erstellung dieses Berichts mitgewirkt haben, äußerten sich besorgt über die zunehmende Aufweichung von Arbeitsrechten wie Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen. In mindestens drei Ländern wurde gegen Gewerkschaftsmitglieder, die wegen nicht gezahlter Löhne protestierten, Gewalt angewandt. Gewerkschaftsaktivitäten werden durch Lockdown-Maßnahmen blockiert oder behindert. Anstatt die Beschäftigten vor der Pandemie und ihren unmittelbaren Auswirkungen zu schützen, lässt die Industrie die Arbeiter*innen kollektiv im Stich. Die Pandemie hat mehrere, schon vor der Pandemie besorgniserregende Faktoren verschärft: niedrige Löhne, Nichtzahlung von Abfindungen, Unterdrückung von Gewerkschaften und die steigende Zahl informell beschäftigter Arbeiter*innen (oft Migrant*innen und Frauen).

Marken, Arbeitgeber*innen und Regierungen müssen jetzt handeln

Die Schulden gegenüber den Arbeiter*innen werden weiter ansteigen, sollten Marken, Arbeitgeber*innen und Regierungen nicht sofort handeln. Mit einer Koalition aus über 230 Organisationen, darunter 70 Gewerkschaften, fordert die Clean Clothes Campaign die Bekleidungsmarken auf, eine durchsetzbare Vereinbarung auszuhandeln, um Löhne zu sichern, einen Abfindungsgarantiefonds einzurichten und die Einhaltung grundlegender Arbeitsrechte zu gewährleisten. Ineke Zeldenrust vom internationalen Büro der Clean Clothes Campaign sagt: "Wir können uns nicht auf die Eigeninitiativen der Marken oder die freiwilligen Programme verlassen, hinter denen sie sich verstecken, um etwas für die Arbeiter*innen zu erreichen. Es ist dringend notwendig, dass die Unternehmen eine verbindliche und durchsetzbare Vereinbarung mit den Gewerkschaften aushandeln und unterzeichnen, um zu verhindern, dass Millionen von Bekleidungsarbeiter*innen und ihre Familien noch tiefer ins Elend getrieben werden."

 

How to Steal Your Workers’ Future from Clean Clothes Campaign.

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