#WerPasstAuf? Mütter und Kinder in Fabriken - Hintergrundinformationen & Material

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Mütter und Kinder in Fabriken

Um Mütter und Kinder in der Arbeitswelt zu schützen, gibt es in fast allen Ländern der Welt bezahlten Mutterschutz und in einigen Ländern sogar die gesetzliche Vorschrift für den Arbeitgeber, Kinderbetreuungseinrichtungen am Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Indien und Bangladesch gehören zu diesen Ländern, jedoch ist die Umsetzung häufig katastrophal.

So sind die Kinderbetreuungseinrichtungen in den Fabriken - wenn es überhaupt welche gibt - meist unzureichend in Bezug auf Qualität und Kapazität, obwohl sie gesetzlich vorgeschrieben sind. Das Fehlen von Betreuungseinrichtungen für Kinder unter 6 Jahren stellt die arbeitenden Mütter vor enorme Schwierigkeiten und bedeutet eine zusätzliche große Belastung. Viele Kinder haben so keine Chance auf frühkindliche Bildung oder Entwicklungsmöglichkeiten.

Meistens hören Frauen nach der Geburt auf zu arbeiten, da dies angesichts der harten Arbeit und der ungenügenden Kinderbetreuung die einzige Möglichkeit ist, sich um die Kinder zu kümmern. Doch viele geraten so noch tiefer in Armut. Wenn es Müttern finanziell gar nicht möglich ist, mit der Arbeit aufzuhören, bleiben auch kleinste Kinder allein zu Hause oder werden von älteren Geschwistern beaufsichtigt, die dafür die Schule vernachlässigen. Aber Kinder, die zu Hause bleiben, werden in vielen Fällen zur Heimarbeit herangezogen und helfen z.B. beim Annähen von Pailletten. Am Ende landen auch sie bald in den Fabriken statt in Schule und Ausbildung.

Zusätzlich bereiten die fehlende medizinische Betreuung und mangelnde Umsetzung von Mutterschutzgesetzen schwangeren Arbeiterinnen und jungen Müttern existenzielle Probleme. Gesetzlich haben Arbeiterinnen in Indien seit April 2017 Anrecht auf 26 Wochen bezahlten Mutterschutz, zuvor waren es nur 12 Wochen. Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen befürchten jedoch, dass schwangere Arbeiterinnen von Fabrikbesitzern und -management nun erst recht aus ihrer Anstellung gedrängt werden, um Kosten einzusparen.

Fact-Sheets zu Kinderbetreuung & Unternehmensverantwortung

Studienergebnisse aus Bangalore

Gewerkschaften setzen sich nicht ausreichend für die Gründung von Betreuungseinrichtungen und Umsetzung von Mutterschutzgesetzen ein, da ihnen das Wissen und entsprechende Kompetenzen fehlen. Arbeiter*innen haben zwar das Recht, Gewerkschaften zu gründen (Trade Union Act 1926), aber die Fabrikleitungen sind rechtlich nicht gezwungen, Betriebsräte oder Gewerkschaften innerhalb ihrer Geschäftsräume anzuerkennen. Dementsprechend gibt es nahezu keine Fabrikgewerkschaft für Textilarbeiter*innen in Bangalore, mit deren Hilfe  Textilarbeiter*innen ihre Arbeitsrechte einfordern könnten.

Cover Cividep Childcare Report 2017Studie 2017: „Childcare Facilities and Maternity Benefits in Bangalore’s Export-Oriented Apparel Industry“

Download der englischen Fassung (PDF)

Die Ergebnisse der Studie 2017 zeigen deutlich, dass unsere bisherige Arbeit Wirkung gezeigt hat: Es wurden 20 Fabriken untersucht, die 10 große internationale Markenunternehmen beliefern: H&M, C&A, Levi's, Adidas, Marc O'Polo, Primark, Bestseller, Zalando (Zlabels), Cecil GMBH und H.I.S. Textil. In allen 20 Fabriken gab es tatsächlich eine Krippe, aber viele der in früheren Studien aufgezeigten Probleme bestehen fort, u.a.:

  • Altersbeschränkungen schließen Säuglinge und Kinder über vier Jahren aus, sodass viele Frauen dennoch gezwungen sind, die Arbeit aufzugeben oder die Kinder aufgrund fehlender Betreuung gefährdet sind.
  • Es fehlt eine adäquate Ausstattung mit Spielzeug, Lernmaterialien, Nahrungsmitteln und qualifiziertem Personal.
  • Mütter werden zum Teil von der Arbeit weggerufen, um Kinder zu wickeln o.ä.
  • Der Mutterschutz wird ungenügend umgesetzt: 70% der Arbeiterinnen berichten, dass eine unbezahlte Verlängerung des Mutterschaftsurlaubes trotz gesetzlicher Vorschrift kaum möglich war oder sie eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses befürchteten.
  • Der Großteil der Fabriken stellt die medizinische Vor- und Nachsorge für schwangere Arbeiterinnen nicht zur Verfügung, obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben ist.

Cover Bedarfsanalyse BangaloreStudie 2015: „Needs Assessment for Childcare Facilities in Bangalore's Garment Industry“

Download der englischen Fassung (PDF-Datei)

Download der deutschen Fassung (PDF-Datei)

Die Bedarfsanalyse vom Oktober 2015, die im Rahmen des Pilotprojektes 2015 erstellt wurde, liefert weitere Hintergrundinformationen zur Kinderbetreuungssituation in indischen Textilfabriken. Untersucht wurden Zuliefererfabriken, die in Bangalore für H&M und C&A fertigen.

 

Bekleidungsindustrie in Bangalore: Problematische Bedingungen für Frauen und Mütter

Cividep Proteste im Mai 2016. Foto: © CividepCividep Proteste im Mai 2016. © CividepMit ca. 1.200 Bekleidungsfabriken zählt Bangalore heute zu einem der Zentren für die Bekleidungsindustrie in Indien. Die an unserem Kita-Projekt beteiligten Fabriken stehen beispielhaft für die Probleme der gesamten Region: sehr hohe Produktionsquoten, kein existenzsichernder Lohn, immer wieder Diskriminierungen und zum Teil sogar sexuelle Belästigungen der Arbeiter*innen. Der Mangel an Kinderbetreuung und ausreichendem Mutterschutz sind Hauptgründe für die hohe Fluktuation von Belegschaften in den Fabriken, da fast 90% Prozent der Arbeiter*innen im Textilsektor Frauen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren sind - also einer dementsprechend reproduktiven Altersgruppe angehören. Die meisten Arbeiterinnen sind junge Frauen mit niedrigem Bildungsniveau aus armen, ländlichen Gebieten.

Der Mindestlohn für Textilarbeiter*innen beträgt in Karnataka (mit der Hauptstadt Bangalore) umgerechnet ca. 71 Euro (Asia Floor Wage berechnet für Bangalore einen Existenzlohn von umgerechnet 195 Euro). Der genaue Lohn, der den Arbeiter*innen zusteht, wird ihnen verschwiegen und die Auszahlung der Löhne erfolgt oft mit großer Verspätung. Viele Frauen müssen zusätzliche (schlecht oder gar nicht bezahlte) Überstunden machen, andere Arbeit annehmen oder sich verschulden. Wer sich weigert, Überstunden zu machen, muss mit Entlassung rechnen.

Das Arbeitspensum ist durch den Termindruck der Auftrag gebenden Modemarken sehr hoch, die verlangten Quoten kaum zu bewältigen. Ob ihre Zulieferer die gesetzlichen Auflagen zu Mutterschutz und Kinderbetreuung einhalten, kontrollieren Herstellerfirmen in der Regel nicht.

 

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